Am Sonntag haben erstmals seit Jahren wieder bundesweit organisierte Fanszenen geschlossen auf der Straße demonstriert. Mehrere Tausend Anhänger aus nahezu allen Ligen zogen durch die Leipziger Innenstadt. Ihr Protest richtete sich gegen die Pläne der Innenminister, schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Fußball zu beschließen: personalisierte Tickets, strengere Stadionverbote und mögliche KI-Überwachung.

Diese Demo kommt nicht aus dem Nichts. Seit Wochen sorgt eine undurchsichtige Debatte für Unruhe in den Fanszenen. Während Politik und Polizei von wachsender Gefahr sprechen, zeigt der aktuelle Bericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) rückläufige Zahlen bei Verletzten, Ermittlungsverfahren und Polizeieinsätzen. Viele Fans fragen sich deshalb, warum ausgerechnet jetzt Maßnahmen verschärft werden sollen – und warum sie bei den Beratungen kaum eingebunden sind.

In dieser Ausgabe ordnen wir ein, wie es zu dieser Lage kommen konnte, welche Forderungen tatsächlich im Raum stehen, welche Zahlen relevant sind – und was die Entscheidungen der Innenministerkonferenz Anfang Dezember für den Fußball bedeuten könnten.

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SLALOM-Sechserkette

In unserer heutigen SLALOM-Sechserkette stellen wir sechs Fanaktionen vor, die den Fußball messbar verändert haben – nicht als Randnotiz, sondern als echte Eingriffe in Regeln, Termine und Entscheidungen. Warum sechs? Weil die Sechs im Fußball das Zentrum kontrolliert. Genau dort lag in diesen Momenten die Macht der Fans. Hier ist unsere Sechserkette:

  1. DFL-Investorenprotest (2023/24)

    Zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 protestierten Fans ligaweit gegen den geplanten Einstieg eines Investors, der für rund 1 Mrd. Euro Anteile an den DFL-Medienerlösen erhalten sollte. Wochenlang wurden Spiele durch Tennisbälle und Unterbrechungen blockiert. Am 21. Februar 2024 brach die DFL den Prozess ab – offiziell wegen fehlender Akzeptanz. Der Deal war vom Tisch.

  2. 12 Minuten und 12 Sekunden Schweigen (2012)

    Im Herbst 2012 reagierten Fans auf das DFL-Papier „Sicheres Stadionerlebnis“, das u. a. strengere Kontrollen und Gästebeschränkungen vorsah. An drei Spieltagen schwiegen die Kurven jeweils 12:12 Minuten. Die DFL entschärfte daraufhin mehrere Punkte des Papiers und korrigierte geplante Maßnahmen.

  3. Kein Zwanni für ‘nen Steher (2010-2012)

    Auslöser waren stark erhöhte Auswärtspreise, etwa beim Revierderby 2010, als Schalke die Stehplatzpreise deutlich anhob. Fans boykottierten mehrere Spiele, u. a. 1.600 Dortmunder beim Derby. Die Aktionen führten dazu, dass Vereine wie der BVB die Preise deckelten – bundesweit reduzierten Klubs ihre geplanten Erhöhungen.

  4. Proteste gegen Montagsspiele (2017/18)

    Die Einführung von fünf Montagsspielen pro Saison stieß sofort auf Widerstand. In mehreren Stadien kam es zu Stimmungsboykotts und minutenlangen Spielunterbrechungen. Die DFL reagierte: Ab der Saison 2021/22 wurden Montagsspiele in der 1. und 2. Bundesliga vollständig abgeschafft.

  5. Aufstand gegen die Super League (2021)

    Am 18. April 2021 verkündeten zwölf europäische Topklubs die Gründung der ESL. Innerhalb von zwei Tagen formierten sich massive Fanproteste, besonders in England: Blockaden in London, Platzsturm in Manchester. Bereits am 20. April stiegen die ersten Klubs aus – das Projekt scheiterte nach 48 Stunden.

  6. Liverpool-Walkout (2016)

    Als der Liverpool FC seine Ticketpreise auf £77 erhöhen wollte, verließen am 6. Februar 2016 rund 10.000 Fans in der 77. Minute das Stadion. Der Verein reagierte noch in derselben Woche: Die Preiserhöhung wurde gestrichen und die Preise für zwei Jahre eingefroren.

Eine letzte Kurve

Die Demo in Leipzig zeigt, wie groß die Spannung zwischen Fans und Politik geworden ist. Auf der einen Seite stehen Pläne für personalisierte Tickets und härtere Stadionverbote, auf der anderen Seite sinkende Zahlen bei Verletzten und Ermittlungsverfahren. Viele Fans fragen sich daher, warum gerade jetzt Verschärfungen kommen sollen und warum sie bei zentralen Entscheidungen kaum einbezogen werden.

Diese Konfliktlinie ist nicht neu. Immer dann, wenn Faninteressen übergangen wurden, reagierten die Kurven geschlossen – und oft erfolgreich. Unsere Sechserkette erinnert daran, wie Fans in den vergangenen Jahren Strukturen verändert haben, vom Stopp der Montagsspiele bis zum Ende des DFL-Investorendeals. Genau an diese Tradition knüpft der Protest in Leipzig an.

Und der Druck dürfte weiter steigen. Zwei Spieltage bleiben bis zur Innenministerkonferenz Anfang Dezember, und die Fanszenen werden jede Gelegenheit nutzen, um ihre Position sichtbar zu machen. Leipzig markiert keinen Abschluss, sondern den Beginn einer neuen Phase. Die Frage, wie Sicherheit und Fankultur zusammen bestehen können, wird jetzt neu und gemeinsam beantwortet werden müssen.

Danke, dass du SLALOM heute begleitet hast. Wir hoffen, die Kurve hat sich gelohnt.

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Bis nächsten Montag!

Dein SLALOM-Team

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